Agenten statt Anzeigen: Browser verändern Marketing-Strategien
Zuletzt aktualisiert am 3. November 2025 um 07:00 Uhr.Seit zwei Jahrzehnten prägen Browser als Werbeplattformen das digitale Marketing und die Content-Strategien. Jeder Fortschritt, von Tabs über Infinite Scroll bis hin zu personalisierten Empfehlungen, hatte ein Ziel: Nutzende möglichst lange auf Webseiten zu halten, damit sie Werbung sehen. Diese Logik wurde selten hinterfragt. Jetzt aber vollzieht sich ein grundlegender Wandel: Erste Browser-Lösungen setzen auf die direkte Ausführung von Aufgaben, ohne dass der Nutzer überhaupt noch Seiten aufruft.
Agenten übernehmen Aufgaben und verändern Nutzererwartungen
Innovative Browser agieren künftig als digitale Agenten. Sie führen Aufgaben wie das Buchen von Flügen, den Kauf von Produkten oder das Planen von Meetings direkt aus. Für Nutzer verschwinden Klicks, Seitenaufrufe und Werbebanner. Wo bislang jeder Touchpoint gezählt und monetarisiert wurde, zählt künftig nur noch: Aufgabe erledigt oder nicht.
Das klassische Geschäftsmodell vieler Medienhäuser und Unternehmen basiert auf Seitenaufrufen, Klickzahlen und Sichtkontakten. Werbebudgets fließen dorthin, wo Reichweite gemessen werden kann. Neue Browser-Modelle setzen dagegen auf eine Bezahlung nach erledigter Aufgabe. Publisher werden entlohnt, wenn ihre Inhalte einer KI oder einem Agenten als Grundlage für eine Transaktion dienen. Damit reicht reine Sichtbarkeit nicht mehr aus, um Erträge zu generieren.
Branchenexperten müssen Content Strategien neu denken
Die Umstellung vom Seitenaufruf auf abgeschlossene Aktionen betrifft nicht nur Publisher, sondern das gesamte digitale Marketing. Traditionelle SEO-Maßnahmen und Content-Strategien, die auf maximale Sichtbarkeit und Klickzahlen gesetzt haben, geraten unter Druck. Wer Inhalte nicht so aufbereitet, dass sie von Agenten ausgelesen und genutzt werden können, verliert an Relevanz und Umsatzpotenzial.
Content muss künftig maschinenlesbar, eindeutig und handlungsorientiert sein. Klassische Storytelling-Formate oder reichweitenorientierte Artikel geraten ins Hintertreffen, da sie für Agenten kaum verwertbar sind. Unternehmen, die Daten klar strukturieren, eindeutige Handlungsanweisungen geben und Schnittstellen zu Agenten bereitstellen, sichern sich Wettbewerbsvorteile.
Herausforderungen bei der Transformation meistern
Der Wandel bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Bestehende Content-Strukturen müssen auf maschinenlesbare Formate umgestellt werden. Alte SEO-Techniken verlieren an Bedeutung, während neue Kompetenzen gefordert sind: Datenmodellierung, Erstellung von API-basierten Inhalten und die Entwicklung von sogenannten “Canonical Data Sets”. Gleichzeitig müssen Unternehmen sicherstellen, dass Qualität und Markenidentität auch bei automatisierter Nutzung sichtbar bleiben.
Zukunftsfähige Content-Strategien setzen auf folgende Elemente:
- Strukturiertes Wissen: Inhalte werden in klar definierten Formaten bereitgestellt, die von Agenten verstanden und verarbeitet werden können.
- Eindeutige Handlungsanweisungen: Nutzerintentionen werden antizipiert und in ausführbare Aufgaben übersetzt.
- Maschinenlesbarkeit: Einsatz von Schema.org, JSON-LD und offenen Schnittstellen.
- Qualitätssicherung: Sicherstellung, dass Markenwerte und Botschaften auch bei rein maschineller Nutzung erhalten bleiben.
Ein Praxisbeispiel aus der aktuellen Entwicklung
Ein aktueller Fall verdeutlicht die Umwälzungen: Das Unternehmen Perplexity baute eine eigene Browser-Lösung, nachdem der Versuch, einen etablierten Browser zu übernehmen, scheiterte. Die Motivation: Ein Browser, der auf Werbeanzeigen angewiesen ist, kann nicht radikal auf Aufgabenabwicklung umgestellt werden, ohne das eigene Geschäftsmodell zu gefährden. Perplexity entwickelte ein neues System, bei dem Publisher an abgeschlossenen Aufgaben beteiligt werden. 80% der Abo-Einnahmen fließen an die Anbieter von Inhalten, die für die Erledigung von Aufgaben genutzt werden. Die Folge: Wer Inhalte für Agenten optimiert, profitiert. Wer weiterhin auf SEO für Seitenaufrufe setzt, verliert.
Erste Schritte in die neue Content-Ökonomie
Für Unternehmen empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen:
- Analyse der bestehenden Content-Landschaft: Welche Inhalte eignen sich für die maschinelle Nutzung?
- Aufbau strukturierter Daten-Modelle: Implementierung von Schema.org, JSON-LD und APIs.
- Entwicklung von Use Cases: Welche Aufgaben könnten Agenten für Nutzer übernehmen?
- Test und Optimierung: Pilotprojekte mit maschinenlesbaren Inhalten und Schnittstellen.
- Fortlaufende Marktrecherche: Beobachtung neuer Plattformen und Browser-Lösungen auf Basis von Agenten.
Partnerschaften für nachhaltigen Wandel
Die Entwicklung hin zu agentenbasierten Browsern erfordert Know-how in Content-Strukturierung, Datenmanagement und der Übersetzung von Nutzerbedürfnissen in maschinenlesbare Formate. Langjährige Erfahrung in der Verbindung von Kreativität, analytischer Kompetenz und Branchenverständnis bildet die Grundlage, um Unternehmen durch diesen Wandel zu begleiten. Die Fähigkeit, Methoden transparent zu machen, Marketing-Mechaniken zu entschlüsseln und Trends verständlich aufzubereiten, ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Gerrit Grunert
Gerrit Grunert ist Gründer und CEO von Crispy Content®. 2019 veröffentlichter er das bei Springer Gabler erschienene Standard-Werk "Methodisches Content Marketing" sowie die Online-Kurs-Serie "Making Content". Privat ist Gerrit ein leidenschaftlicher Gitarren-Sammler, liest gern Bücher von Stefan Zweig und hört Musik von vorgestern.
